Volksabstimmungen
Bei den bisher vorgestellten Wahlen kannst du mit deiner Stimme Abgeordnete des Europaparlaments, des Bundestages, eines Landtages oder Gemeindesrates wählen. Sie sind es dann, die über Sachthemen entscheiden und Gesetze auf den Weg bringen. Das nennt man repäsentative Demokratie.
Daneben gibt es aber noch Formen der direkten Demkratie, mit denen du direkt über einzelne Fragen abstimmen kannst.
Bei Volksabstimmungen wird über Sachfragen abgestimmt. Um solche Fragen könnte es gehen: Soll es auf Autobahnen ein allgemeines Tempolimit geben? Dürfen Lebensmittel gentechnisch verändert werden? Brauchen wir ein Ladenschlussgesetz? Darf die Müllverbrennungsanlage hier gebaut werden?
Volksentscheidungen auf Bundesebene gibt es in Deutschland bislang nicht. In unserem Nachbarland Schweiz dagegen sind sie ein zentrales Element im politischen Leben und auch andere Länder wie etwa Irland, Lichtenstein oder Slowenien haben damit schon Erfahrungen. Bei uns wird bislang noch darüber diskutiert, ob dies sinnvoll ist und vor allem welche Spielregeln dafür gelten sollten.
Auf der Ebene der Bundesländer gibt es dagegen Möglichkeiten der Volksbegehren und Volksentscheide sowie auf Kommunalebene Bürgerbegehren und Bürgerentscheide. Die positiv verlaufene Volksabstimmung 1951 in Baden, Württemberg und Hohenzollern hat zur Gründung von Baden-Württemberg geführt und 1970 haben die Südbadener noch einmal darüber abgestimmt, ob sie beim Bundesland bleiben wollen.
Ein Bürgerentscheid kann auf Beschluss des Gemeinderates oder über ein Bürgerbegehren auf Antrag von mindestens 7 % der Bürgerinnen und Bürger, höchstens jedoch von 20.000 Bürgern herbeigeführt werden.
Volksabstimmungen und Parlamente sind nicht zwangsläufig Gegner. Ist beispielsweise ein Volksbegehren erfolgreich, d.h. mindestens ein Zentel der Wahlberechtigten unterstützen es in der festgelgten Zeit mit ihrer Unterschrift, kann der Landtag der Gesetzesvorlage zustimmen. In dem Fall ist der Prozess beendet und das Vorhaben in ein neues Gesetz gegossen. Stimmt der Landtag der Gesetzesvorlage nicht unverändert zu, findet eine Volksabstimmung statt.
Manchen gehen die Möglichkeiten der direkten Abstimmung über Sachthemen nicht weit genug, andere lehnen eine Ausweitung dagegen bislang ab.
Die zur Entscheidung stehenden Probleme seien zu kompliziert, um sie dem Volk vorzulegen, so argumentieren die Gegener. Die Macht geht in einer Demokratie vom Volk aus, also soll das Volk auch bei der Entscheidung wichtiger Probleme abstimmen, so argumentieren die Befürworter. Volksbegehren kosten eine Menge Geld und dauern oft viele Monate, was Entscheidungen verzögern kann. Auf der anderen Seite aber können sie neue und wichtige Themen auf die Agenda setzen, die Akzeptanz für Entscheidungen erhöhen, das Interesse an politischen Themen und damit auch an unserer Demokratie stärken.
In den letzten Jahrzehnten gibt es immer mehr Menschen und auch Parteien, die sich eine Stärkung der direkten Demokratie wünschen und glauben, dass die positiven Auswirkungen überwiegen. Sie sehen dabei die direkte Demokratie nicht als Gegenmodell zur repästenativen Demokratie und zu unseren Parlamenten, sondern als eine wertvolle Ergänzung zur Stärkung der Demokratie.
Wichtig ist aber, dass für folgende Probleme Lösungen gefunden werden:
Wer darf mitentscheiden?
Das ist eine ganz wichtige Frage. Sind nur deutsche Staatsangehörige ab 18 Jahren wahlberechtigt oder auch Menschen anderer Nationalität, die hier in Deutschland leben, oder auch schon Jugendliche ab 16 oder sogar schon ab 14 Jahren? Wer entscheidet über den Standort des geplanten Windrades oder der Müllverbrennungsanlage? Nur die betroffene Gemeinde, ein ganzer Landkreis oder sogar alle Bürgerinnen und Bürger eines Bundeslandes?
Wie werden Minderheiten geschützt?
Bei Volksabstimmungen zählt die Mehrheit. Wichtig ist deshalb der Minderheitenschutz. Im Vorfeld muss geprüft werden, ob das Anliegen des Volksbegehrens nicht gegen das Grundgesetz oder Völkerrecht und den hier verankerten Minderheitenschutz beziehungsweise gegen das Dikriminierungsverbot verstößt.
Wer beteiligt sich?
Es zeigt sich immer wieder, dass sich gebildete und wohlhabende Menschen eher an Volksabstimmungen beteiligen als andere. Das stimmt, ist bei anderen Wahlen aber auch ein Problem und damit eine Herausforderung für alle demokratischen Instrumente.
Umso wichtiger ist deshalb die Frage, wie die Diskussion im Vorfeld geführt wird und wie die Argumente der beiden Seiten für die Stimmberechtigten aufbereitet werden.
Worüber darf abgestimmt werden?
Stell dir vor, es gäbe jeden Monat eine Abstimmung oder das Thema wäre so speziell, dass es dich gar nicht interessiert. Das würde viele Menschen ermüden. Damit das nicht passiert, muss im ersten Schritt eine bestimmte Menge an Stimmen zusammenkommen, damit eine Fragestellung überhaupt zur Abstimmung gestellt wird. Wie viele das sein müssen, darüber kann man natürlich streiten. Auch gibt es Themen, die auf manchen Ebenen ausgeschlossen sind.
Wie schützen wir uns vor Lügen und populistischer Meinungsmache?
Das ist eine große Herausforderung, die aber nicht nur Formen der direkten Demokratie betrifft. Deshalb gibt es schon jetzt die Regel, dass im Vorfeld eines Volksentscheides die Bürgerinnen und Bürger eine Broschüre mit den wichtigsten Argumenten beider Seiten bekommen. Diese Broschüre wird von einer unparteiische Kommission kontrolliert, sodass diskriminierende oder offensichtlich unwahre Positionen nicht veröffentlich werden dürfen.
Alternative Beteiligungsverfahren
In Irland wurden bislang drei Volksabstimmungen von einer Bürgerversammlung inhaltlich vorbereitet. Die irische “Citizen Assembly” setzt sich zusammen aus 100 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger. Nach einer ausführlichen Diskussion geben sie eine Gesetzesempfehlung ab, die anschließend der Bevölkerung in einem Referendum zu Abstimmung vorgelegt wurde. Ein Expertenbeirat stand den Mitgliedern dabei zur Verfügung, um alle ihre Fragen zu beantworten und Hintergrundinformationen zu den Themen zu liefern. Hierzu gehörte ein Gesetzentwurf zur Zulassung der gleichgeschlechtlichen Ehe und einer für das Recht auf Abtreibung. Beide Themen waren in der Bevölkerung sehr umstritten, wurden aber schlussendlich mit einer großen Mehrheit angenommen.